Seamens Center Amsterdam. Zwei (vermutlich) Philippiner spielen Billard. Aus dem Lautsprecher perlt ein Jazzklavier. Sonntag. Draussen Sonne.
Die Ankunft am Freitag Morgen war kalt und nass. Das Gepäck konnte ich im WC- und Duschwagen lassen, den die Chocolatemaker, für welche die Tres Hombres jeweils Kakao aus der Dominikanischen Republik bringt, für die Crew hinstellen, die seit den Azoren keine Dusche mehr genossen hat.
Immer wieder ein Blick auf das Schiffsverfolgungsprogrammim Handy, wie weit die Tres Hombres ist. Noch 30, dann 20, dann 15 Seemeilen. Die Geschwindigkeiten zwischen acht und neuen Knoten. Das wird Abend, bis sie ankommen. Der Ausflug in die Innenstadt endet bald: Viel zu viele Leute, Übertourismus. Doch das Seamens Center neben derSchokoladenfabrik öffnet erst um vier.
Bei der Rückkehr steht Lammert, einer der Fairtransport-Kapitäne, auf dem Parkplatz, und aus dem Auto steigt Rymke, mit der ich auf der letzten Atlantikreise die Kabine geteilt habe. Grosses Hallo. Wir fahren nach Ijmuiden, wo der Kanal zum Hafen Amsterdam beginnt. Wir kommen gerade rechtzeitig. Die Tres Hombres kommt nur unter Marssegel und einem Klüver rasch näher. Der Wind bläst uns schier vom Damm, wir suchen den Windschatten eines Leuchtturms. Bei der Einfahrt in den Vorhafen lässt Kapitänin Anne-Flore das Segel aufgeien. Nur vom Druck auf die Takelage segelt das Schiff flott an uns vorbei, wird von der Gar, dem der kleinen antiken Schlepper, in Empfang genommen
Ein emotionaler Augenblick: Nach fünf Monaten Rückkehr aus der Karibik.
Aufbruch zu Schleuse. Per Auto kommen wir zu spät: Die Tres Hombres hängt mit dem Rigg an der Drehbrücke fest. Das Dingi versucht das Schiff gegen den Wind freizudrücken. Doch der 40-PS Aussenbordmotor ist der Situation nicht gewachsen. Auch die Gar kann nichts ausrichten. Ein grosser Schlepper und ein Lotsenboot kommen zu Hilfe, legen unsere alte Dame an die Pier.
Ich will rüber. Lammert rät ab: Erst einmal müsse an Bord der Unfall verdaut werden, bevor wir da aufkreuzen dürfen. Nach einem heissen Tee in einer Kneipe dann doch zum Schiff: «Willkommen zu Hause», begrüsst mich Anne-Flore. Bekannte Gesichter, Familientreffen, Umarmungen. Ohne die Menschen wäre dies einfach nur ein schönes Schiff. So aber ist sie, auch wenns kitschig klingen mag, der materialisierte Geist einer informellen Gemeinschaft.
Ein fieser Schaden
Der Schleusenwärter hat die Drehbrücke nicht schnell genug geöffnet. Den Schaden sieht man nicht sofort. Aber in der untersten Rah klafft an Backbord ein langer Riss. Angeknackst. So können wir nicht segeln, denn an dieser Rah hängt nicht nur das unterste Segel, die Fock, sondern auch das Marssegel – die «Hauptmaschine» des Schiffs. Und am Donnerstag werden wir im belgischen Blankenberge, erwartet…
Ein Schlepper kommt zu Hilfe.
Wir bleiben für die Nacht da. Arthur, der ablösende Kapitän, bringt mein Gebäck aus dem WC-Wagen bei der Schokoladenfabrik. Irgendwie klappts auch in aussergewöhnlichen Lagen, ich fühle mich aufgehoben.
Nach der Schleppfahrt am nächsten Samstagmorgen stehen die Fachleute diskutierend um den Schaden. Diagnose: Der Bruch muss geschient werden. Einer der Kapitäne kennt jemanden, der dafür auch am Sonntag ein konisches Stahlrohr mit den exakten Massen bauen kann. Seeleute sind vernetzt.
Arthur, der neu Kapitän, bei den ersten Reparaturarbeiten an der Marsrah.
Den ganzen Samstag und heute Sonntagmorgen löschen wir die Ladung: Kakao, Rum, Kaffeebohnen. Alles muss raus. Putzen für die neue Mannschaft, die Küche ausräumen: Giulia, die neue Köchen, will sie selbst einrichten, so wie sie es von früheren Reisen gewohnt ist. Heute Nachmittag kommen die neuen Trainees. Wer hier aussteigt, mit Sack und Pack davon marschiert, wird mit dem alten Kurbelhorn verabschiedet. Als Anne-Flore geht, gibts Applaus.