Nach dem Auslaufen von Blankenberge brachten wir mit überwiegend günstigen Winden den Ärmelkanal flott hinter uns. Kaum waren wir bei der Bretagne «um die Ecke» wurde das Wetter flau. Umlaufende und teilweise ganz einschlafende Winde zerstreuten die Befürchtung, wir könnten in La Rochelle zu früh ankommen. Trotzdem gingen wir vor der Île d’Yeu einen halben Tag vor Anker und auf dem Weg hierher drehten wir zeitweise bei, buchstäblich um Zeit zu verlieren. Mit Hilfe von zwei Schleppbooten gelangten wir in den engen Hafen. Einige Yachtbesitzer rannten nach Fendern, denn beim Manöver, unser schweres Schiff im engen Hafenbecken zu drehen sah es mehrfach nach einer möglichen Kollision aus. Doch nichts passierte, wir landeten ohne Schäden am Ponton.
In der Biskaya suchten drei Schwalben Schutz bei uns an Bord. Sie waren derart erschöpft, dass sie sämtliche Scheu vor Menschen verloren. Später haben wir eine tot im Laderaum gefunden, die anderen sind wohl weiter geflogen und auf See gestorben.
Der Lebensraum Meer leidet
Das Meer ist stark belebt: Im Ärmelkanal tauchte 30 Meter neben dem Schiff eine Robbe zum Atmen auf. In der Biskaya veranstaltete ein Delfin eine Art Unterwasser-«Feuerwerk», in dem er eine Spur von Leuchtplankton hinter sich her zog. Wir segelten durch braune Flecken, die von Nahem aussahen wie wenn Blütenpollen im Wasser schwimmen würden. Wir zogen nicht nur an Quallen, sondern wegen der leichten Winde langsam auch an anderen Lebewesen vorbei, die wir nicht identifizieren konnten. Und an gewissen Stellen war das Wasser voll farblose Fetzen, die sowohl Pflanzen, Tiere oder auch Zivilisationsdreck sein konnten. Offenbar ist jetzt im Frühsommer die Zeit der Planktonblüte. Wegen der rekordhohen Wassertemperaturen stellt die Wissenschaft fest, dass diese – wie bei den Obstbäumen an Land – immer früher erfolgt. Wenn dann das tierische Plankton seine Spitzenzeit hat, ist das pflanzliche Plankton bereits am Abklingen. Das Zooplankton – treibende Kleinschnecken, Mikrokrebse etc. – hungert: Es gibt weniger Futter für Fische und Wale. Wir bringen mit unserer Zivilisation die Nahrungsnetze der Ozeane durcheinander.
Synthetisches Tauwerk verliert unweigerlich Fasern, die dann als Mikroplastik enden. Um für viele Anwendungen von dieser Umweltbelastung wegzukommen stellt die Tres Hombres so weit als möglich um auf Tauwerk aus Manilahanf. Damit dieses nicht rottet, muss es in Handarbeit von innen mit Wurzelteer imprägniert werden. Viel Arbeit, die sich die kommerzielle Seefahrt nicht leisten will.
Internationaler Seegerichtshof: Staaten müssen mehr gegen den Klimawandel unternehmen
Dazu hat eine Koalition pazifischer Inseln – darunter Vanuatu, unter dessen Flagge die meisten Segelfrachter und auch wir segeln – vor dem Internationalen Seegerichtshof in Hamburg eine wichtige Stellungnahme erstritten: Alle 169 Staaten, die Mitglied im Internationalen Seerechtsabkommen sind, müssen ihre CO2-Emissionen einschränken, um die Verschmutzung der Meere durch Treibhausgase zu vermindern und für intakte Meereslebensräume zu sorgen. Das Gutachten ist rechtlich nicht bindend. Aber es liefert weitere Argumente, dass die Staaten Verantwortung für den Planeten übernehmen müssen.
Eine solche Ausstellung zu den Schäden, welche der Klimawandel in den Ozeanen anrichtet, wäre auch für die Schweiz wichtig. Welches Schweizer Museum nimmt Kontakt auf mit dem Maritimen Museum von La Rochelle?
Das betrifft auch die Schweiz. Egal wie Volksabstimmungen ausgehen: Das komplexe Zusammenspiel zwischen Physik, Chemie und Biologie in den Weltmeeren gerät aus dem Gleichgewicht. Über Naturgesetze kann man nicht abstimmen. Demokratie betrifft nur Entscheide, wie wir uns als Menschen zu den Naturgesetzen verhalten wollen. Die diesbezügliche Ignoranz – oder interessengetriebene Verantwortungslosigkeit – vornehmlich auf bürgerlicher Seite bringt mit den Ozeanen 99 Prozent des biologisch möglichen Lebensraums in Gefahr: Wenn der Ozean stirbt, sterben auch wir auf dem letzten einen Prozent. Oder wie es eine Ausstellung hier im Maritimen Museum ausdrückt: «Wenn der Ozean erstickt, erstickt das Leben.» Da können alpenländische Ständeräte noch lange beschliessen, internationale Urteile zu ignorieren…
Das Gutachten des Internationale Seegerichtshofs betrifft auch die Schifffahrt. Umso tragischer ist der Untergang der Gallant: Ausgerechnet ein Schiff, das gegen den Transport- und Konsumwahnsinn ansegelte!